Geschichtliche Entwicklung
Im Kreis Kleve war die Milcherzeugung seit jeher der wichtigste Betriebszweig der Bauern. So wurde z. B. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche als Grünland genutzt. Nach dem Abzug von Napoleons Kriegsheer, das die Bauern zu unterhalten gezwungen waren, begann langsam der wirtschaftliche Aufschwung. Mit der Erzeugung von überschüssiger Milch kam die Herausforderung auf, diese haltbar zu machen.
Anders als bei der Butterherstellung waren die Fertigkeiten zur Käseherstellung am Niederrhein erst relativ spät bekannt. Die Niederländer stellten bereits im Mittelalter aus Vollmilch den Gouda und aus leicht entrahmter Milch den Edamer her. Sie hüteten das Rezept für die Käseherstellung gut und waren bis ins 19. Jahrhundert hinein mit ihrer Käseproduktion marktbestimmend. Das änderte sich als die junge Maria Reymer von ihrem Vater, dem Deichgraf Theodor Reymer vom Gut Hogefeld, zu Verwandten ins niederländische Etten geschickt wurde. Dort lernte sie die Kunst der Käseherstellung und begann nach ihrer Rückkehr auf Gut Hogefeld im Jahr 1825 im Alter von 22 Jahren mit der Herstellung der ersten Käselaibe. Dieser frühe Fall von „Wirtschaftsspionage“ legte den Grundstein für eine florierende Käseproduktion im Kreis Kleve (siehe Unterpunkt „Käsemuseum auf Gut Hogefeld“).
Durch die hofeigene Milchverwertung zu Butter und Käse stieg im Laufe der Zeit die Milcherzeugung am Niederrhein rapide an, bis sie an ihre Grenzen stieß. Zum einen war die Produktion sehr zeitaufwendig und zum anderen wurden die Verkaufsmärkte der Region zu klein und der Milchtransport über weite Entfernungen aufgrund der schlechten Wegverhältnisse nicht möglich. Dieser „Notstand“ veranlasste die Bauern, sich zu Genossenschaften zusammenzuschließen.
Ab den 1870er Jahren gründeten die Milchbauern auch Molkereien nach dem Vorbild landwirtschaftlicher Genossenschaften. Die fortschreitende Molkerei-Industrialisierung – Dampfmaschinen für die Energieversorgung und Zentrifugen zur Milchentrahmung – förderte weiterhin genossenschaftliche und private Zusammenschlüsse, sodass es zur Zeit des Ersten Weltkriegs allein im Altkreis Kleve 23 Molkereien gab. Im Nationalsozialismus wurde der Milchmarkt komplett neu organisiert – die Bauern hatten keine freie Wahl mehr und mussten an die regional zuständige Molkerei abliefern. Damit sank die Vielfalt an Butter- und Käsesorten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich wieder eine marktübliche Molkereistruktur, die zu Anfang noch stark regional organisiert wurde. Im Laufe der Jahre sank die Zahl der milchverarbeitenden Betriebe – Fusionen und Weltmarkt-Orientierung bestimmen heute den Milchmarkt. Zählte man 1970 in NRW noch 112 Molkereiunternehmen mit eigener Milchverarbeitung so sind es 2015 gerade noch sieben. Im Kreis Kleve findet man heute aber noch Hofmolkereien, die Marktnischen besetzen und ihre eigene erzeugte und verarbeitete Milch in überschaubaren Mengen direkt vermarkten.